Personenschutz der Kläranlagen
Siegen und Weidenau
In den Kläranlagen Siegen und Weidenau werden jährlich rund 25 Millionen Kubikmeter Abwässer von bis zu 300.000 Einwohnerwerten auf die behördlich festgesetzten Überwachungswerte gereinigt.
von Ronald Morschheuser SIEGEN. Karl-Hermann Söhngen ist für die Sicherheit seiner Mitarbeiter verantwortlich. Söhngen ist Betriebsingenieur der Kläranlagen beim Entsorgungsbetrieb der Stadt Siegen (ESi), einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung für Stadtentwässerung und Wasserbau. Das 80 Frauen und Männer starke Team betreut rund 630 Kilometer Kanalnetz mit 30 Sonderbauwerken und rund 155 Kilometer Wasserläufe.
„Wenn Bereitschaftsdienste geleistet werden, müssen immer wieder auch Gefahrenlagen berücksichtigt werden. Wir sind verpflichtet, einen möglichst weitgehenden Personenschutz sicher zu stellen“, begründet der Diplom-Ingenieur, warum der ESi 2009 die Errichtung einer modernen Personen-Notsignal-Anlage für seine Kläranlagen in Siegen und Weidenau öffentlich ausgeschrieben hat. Die Burscheider Ingenieur-Firma OPTRO, nach eigenen Angaben deutscher Marktführer im ereich Personen-Notsignal-Anlagen, erhielt den Zuschlag. Der Entwickler und Hersteller von Notsignal-Technik installierte flächendeckend Funkbaken an allen relevanten Ein- und Ausgängen der Gebäude und bei den kritischen Funktionseinheiten. Auch die Verwaltungsgebäude wurden in das Personen-Schutzsystem integriert.
Seit Fertigstellung der Sicherheits-Anlage führt der Bereitschaftshabende immer ein Personen-Notsignal-Gerät (PNG) mit sich. Es enthält ein mobiles Ortungs- und Empfangsmodul. Wird eine der Funkbaken passiert, empfängt das Modul deren Standort-Code berührungslos per Funk und sendet ihn an die Zentrale der Personen-Notsignal-Anlage im Betriebsgebäude weiter. Dort hinterlegt, werden in einem Notfall auf einem Lokalisierungsboard der letzte erfasste Standort und die Bewegungsrichtung des Bereitschaftshabenden sichtbar. Im Falle eines Unfalles oder einer plötzlichen Erkrankung des Bereitschaftshabenden – zum Beispiel bei einem Herzinfarkt – detektiert das Personen-Notsignal-Gerät über eingebaute Sensoren die Notlage und löst willensunabhängig Alarm aus, wenn sein Träger dazu nicht mehr selbst in der Lage ist. Natürlich kann der Abgesicherte den Alarm auch willensabhängig per roter Nottaste an seinem PNG losschicken. Über ein Wachinstitut wird der Alarm an Feuerwehr, Rettungsdienst und übergeordnete Bereitschaften des ESi weitergeleitet.
„Es war uns besonders wichtig, den anrückenden Hilfskräften eine visuelle Darstellung der Kläranlage anbieten zu können“, so Karl Hermann Söhngen. „Auf einem großen Bildschirm mit anschaulicher Darstellung kann die Rettungsmannschaft die in Not befindliche Person auf der Kläranlage sehr schnell lokalisieren und alle erforderlichen Maßnahmen einleiten“. Das Rettungssystem ist bis ins Detail durchdacht und erprobt: So finden die Hilfskräfte zum Beispiel mit dem Bildschirm-Display übereinstimmende Laufkarten vor, mit denen sie sich auf dem Weg über das Gelände orientieren können. Außerdem gibt der Signalgeber des Verunfallten einen durchdringenden Ton ab, der direkt zum Hilfebedürftigenführt. „Diese neue Generation der Personen-Notsignal-Anlage mit den nach unseren Vorgaben ausgeführten Spezifikationen bietet eine deutlich bessere Absicherung gegenüber früherer PNA-Technik“, betont Karl-Hermann Söhngen, „sie ermöglicht eine schnellere und gezieltere Personenauffindung im Notfall“. Der Einsatz der OPTRO-PNA hat aber nicht nur für den Schutz von Leib und Leben der ESi-Mitarbeiter, sondern auch für die Umwelt hohen Wert: Die behördlich geforderte Auslaufqualität des Abwassers ist durchgängig einzuhalten. Gleichzeitig soll der Einsatz von Ressourcen wirtschaftlich optimiert werden. Dazu zählt auch der nur mit der PNA statthafte Ein-Mann-Bereitschaftsdienst an den Wochenenden und Feiertagen. Dank der PNA können optimale Reinigungsleistungen bei günstigen Personalkosten erzielt werden.
Deshalb war bereits 1995 eine erste PNA in Siegen installiert worden. Schwachpunkt des alten Systems: Die Grundstücksgröße von rund 100.000 Quadratmetern und die zahlreichen Gebäude mit mehreren Geschossen und entsprechend vielen Einzelräumen machten im Alarmfall die Auffindung der notleidenden Person nur sehr personal- und zeitintensiv möglich. Die am Gelände vorbeiführende Bahntrasse verringerte auch die Hörbarkeit der akustischen Signale, die eigentlich zum Hilfsbedürftigen führen sollten.
Ein ortsansässiges, auf die Planung und Realisierung von elektrotechnischer Ausrüstung insbesondere für Kläranlagen spezialisiertes Ingenieur-Büro wurde vom ESi als Bauherr beauftragt, eine neue PNA zu planen und öffentlich auszuschreiben. Neben der Behebung früherer Schwachpunkte wurde besonderer Wert auf zwei Bereiche gelegt: „Die mobilen Ortungs- und Empfangsmodule müssen einfach und zuverlässig durch ihre Nutzer bedient werden können. Nur so können wir ein hohes Maß der Akzeptanz für die Anlage fordern und auch erreichen“, weiß Karl-Hermann Söhngen. „Außerdem müssen Verfügbarkeit und Betriebssicherheit der Anlage sehr hoch sein, sie muss sich in die bestehende Alarmierungskette einfügen“. Sein Fazit: „Wir haben Defizite in der Personensicherung der Mitarbeiter während Bereitschaftsdiensten erkannt und sie mit vertretbaren Kosten schließen können. Das gesamte Gelände mit allen Gebäuden und Bauwerken ist systematisch abgesichert worden. Jetzt können Rettungswege um wertvolle Minuten und Sekunden verkürzt werden. Aus Arbeitgebersicht haben wir mit der OPTRO-PNA erfolgreich alles unternommen, um im Notfall schnellstmögliche Hilfe sicherzustellen“.
Wie die moderne Personen-Notsignal-Anlage (PNA) in Siegen aufgebaut ist und eingesetzt wird
Durchdachtes System für optimale Rettungskette
von Karl-Hermann Söhngen
Zu Beginn des Bereitschaftsdienstes an Wochenenden und Feiertagen sowie bei Betriebsstörungen außerhalb der regulären Arbeitszeit entnimmt die bereitschaftshabende Person ein Personen-Notsignal-Gerät (PNG) aus der Ladestation in der Schaltwarte und quittiert die Entnahme. Das PNG wird dadurch in Alarmbereitschaft versetzt und – mit einem Halteclip gesichert – in eine Tasche der Arbeitskleidung gesteckt. Ab diesem Moment hat der Mitarbeiter ständigen, automatischen Funkkontakt mit der PNA-Zentrale und dem Lokalisierungsboard in der Schaltwarte. Bewegt sich der Bereitschaftshabende über das Gelände, passiert er immer wieder Funkbaken, die permanent ihren Standort-Code aussenden. Diese Standort-Codes werden vom PNG an die Empfangs-Zentrale der PNA gesendet. Das mit dieser verbundene
Lokalisierungsboard stellt in einem Notfall den Hilfskräften anschaulich dar, welche Standortgeber zuletzt passiert worden sind. So entsteht ein Bewegungsmuster mit Standort und Bewegungsrichtung. Durch die dichte Platzierung der Standortgeber auf dem gesamten Käranlagengelände mit allen Bauwerken und der gezielten Ausrüstung aller Zugangstüren und Treppenabgänge (56 Standortgeber) kann der Weg der Bereitschaft von den Nothelfern schnell nachvollzogen werden.
Das Personen-Notsignal-Gerät verfügt neben der Übermittlung der passierten Standorte noch über weitere wichtige Funktionen:
Über eine rote Alarmtaste kann der Bereitschaftsführende unmittelbar Hilfe alarmieren, sofern er dazu noch in der Lage ist.
- Im PNG ist ein Feuchtesensor integriert. Das ist besonders für den Einsatz auf Kläranlagen sehr wichtig: Sollte der Verunfallte in ein Klärbecken gefallen sein, wird über den Feuchtesensor unmittelbar ein Personen-Alarm ausgelöst.
- Ein Sensor im PNG registriert die Bewegungen seines Trägers. Bleiben diese aus, was zum Beispiel bei sitzenden Tätigkeiten der Fall sein kann, wird ein Voralarm ausgelöst, der durch Bewegung zurückgesetzt werden muss. So wird sicher gestellt, dass arbeitsbedingt geringe Bewegungsintensität nicht mit einem Notfall verwechselt wird. Wird der Voralarm allerdings nicht quittiert, also zum Beispiel bei Bewusstlosigkeit des Abgesicherten, setzt der Vollalarm die Rettungskette in Gang.
- Ein weiterer Sensor registriert wenn der Träger gestürzt ist und sich nicht innerhalb einer definierten Zeit wieder aufrichtet. Auch in diesem Fall wird ein Personenalarm ausgelöst.
Nach Beendigung der Arbeiten wird das Personen-Notsignal-Gerät wieder in die Ladeschale zurückgesteckt und entsprechend quittiert. Der Akku im Gerät reicht für mindestens acht Stunden Betriebsdauer, muss dann aber für den nächsten Einsatz geladen werden. Der ESi setzt insgesamt vier Personen-Notsignal-Geräte ein, so dass gleichzeitig mehrere Personen unabhängig voneinander ihre Dienste verrichten können und gegebenenfalls Redundanz vorhanden ist. Sollte aufgrund der Überwachungskriterien Alarm ausgelöst werden, wird innerhalb weniger Sekunden ein unabhängiges Wachinstitut alarmiert. Dieses ruft unverzüglich die Nummer des Bereitschaftshandies an, um sich den ausgelösten Alarm bestätigen zu lassen. Nach wenigen Sekunden erfolglosen Wartens werden Feuerwehr und Rettungsdienst alarmiert und fahren notfallmäßig zur Kläranlage. Die Feuerwehr kommt durch einen Zugangsschlüssel für das Eingangstor auf das Gelände und in die Zentrale. Bereits im Eingangsbereich können über das Lokalisierungsboard mit der Darstellung der Kläranlage mit allen Bauwerken die durchnummerierten Standortgeber erkannt und der Aufenthaltsort des Alarmierenden lokalisiert werden. Neben dem Lokalisierungsboard ist eine große Karte mit der gleichen Darstellung der Anlage angebracht, mehrere Laufkarten können zur Orientierung entnommen werden.
von Karl-Hermann Söhngen
Kontakt: Dipl.-Ing. Karl-Hermann Söhngen
c/o Entsorgungsbetrieb der Stadt Siegen
Goldammerweg 30 • 57080 Siegen
Telefon (0271) 31 45 – 681
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